UN-Migrationspakt verwaltet weltweite Ungleichheit
UN-Migrationspakt verwaltet weltweite Ungleichheit
19. November 2018, Hannes Hofbauer
Siehe ganzen Artikel hier: https://www.heise.de/tp/features/UN-Migrationspakt-verwaltet-weltweite-Ungleichheit-4224403.html
Auszug: (…) Worum es im gesamten 34-seitigen Text des UN-Paktes überhaupt nicht geht, sind die Ursachen der Migration. Das müsste linke, kritische Stimmen auf den Plan rufen, was nun langsam geschieht. Ungleiche Entwicklung, Kriege und Vertreibungen als auslösende Faktoren dafür, dass sich Menschen auf den Weg machen (müssen), um anderswo überleben zu können, werden nicht angesprochen.
Im Mittelpunkt des Paktes steht das Individuum: “Der Globale Pakt setzt die Individuen ins Zentrum” (Punkt 15). Der einzelne, der es (über das Mittelmeer, die Balkanroute oder die Mauer an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze) geschafft hat, steht im Mittelpunkt. Wenn Linke nun Solidarität mit ihm oder ihr einfordern, muss man nachfragen dürfen, wer dabei auf der Strecke bleibt. Warum Solidarität mit den Hergekommenen und nicht mit den Daheimgebliebenen üben? Sollen diese Schwächeren und Älteren auch alle in die Zentren der Weltwirtschaft migrieren? Was wird dann aus den Herkunftsländern? Wer soll dort Krisen überwinden, Volkswirtschaften aufbauen, ein Leben für zukünftige Generationen in Angriff nehmen?
Dass die UNO solche Fragen nicht einmal stellt, geschweige denn sie beantwortet, ist enttäuschend genug. Dass Teile der Linken diesbezüglich mitschweigen, grenzt an einen Offenbarungseid einer Bewegung, die sich einst für soziale Kämpfe um Gleichheit und Gerechtigkeit eingesetzt hat. Nun lauten die Postulate Diversität und Weltoffenheit. Ersteres, das Recht auf Anderssein, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und dort, wo das nicht der Fall ist, muss dagegen aufgetreten werden. Weltoffenheit wiederum übersetzt sich der kritische Betrachter mit den vier kapitalistischen Freiheiten, des ungehinderten Verkehrs von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft. Beides – Diversität und Weltoffenheit – ist übrigens mit einem liberalen Weltbild bestens kompatibel.
Was im liberalen Weltbild auf Widerstand stößt, sind wirtschaftliche Schutzmaßnahmen, die nötig wären, um Massenmigrationen zu verhindern. Schwächere Märkte im sogenannten globalen Süden bedürften des Schutzes vor Konkurrenz aus dem Norden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Nehmen wir das Beispiel der “Ökonomischen Partnerschaftsabkommen”. Solche hat die Europäische Union seit dem Jahr 2000 mit über 30 afrikanischen und karibischen Staaten abgeschlossen. Damit wurde eine weltwirtschaftliche Phase der Entwicklung beendet, die es den ärmeren Volkswirtschaften im globalen Süden erlaubt hat, mittels protektionistischer Maßnahmen in bestimmten Sektoren ihre einheimischen Märkte vor allzu aggressiv auftretendem westlichen Kapital zu schützen. Die Lomé-Abkommen aus dem Jahr 1975 erlaubten dafür die Einhebung von Zöllen.
Mit den neuen Partnerschaftsabkommen bestimmt der totale Freihandel nun die Wirtschaftsbeziehungen im Zeitalter der Globalisierung. Die Folge: Westliche Unternehmen überschwemmen die Märkte im Süden, lokale Bauern, Fischer und Gewerbetreibende halten dieser Konkurrenz nicht Stand, ihre Söhne (und Töchter) migrieren nach Europa. Die Partnerschaftsabkommen der EU schaffen Migration.
Wenn sich vereinzelt Widerstand dagegen regt, wird rigoros gegen die “Diskriminierung” ausländischer Investoren und Geschäftsmacher vorgegangen. So z.B. im Fall Ruanda, wo sich Präsident Paul Kagame gegen den ungeschützten Import US-amerikanischer und EU-europäischer Altkleider wehrt. Diese in Metallboxen des globalen Nordens gesammelten Textilien, kommen zum Aussortieren in Länder wie Rumänien und gehen von dort in den Süden. Der Effekt: Lokale, afrikanische Textilproduzenten fallen dem Konkurrenzdruck der billigen Ware aus dem Norden zum Opfer und müssen sich anderswo eine Existenzgrundlage suchen. Der Weg nach Europa scheint für viele die Lösung.
Statt mittels Freihandelsabkommen Markterweiterungen für überproduzierende Weltmarktkonzerne zu sichern, die ganz unmittelbar Menschen aus ihrer Heimat vertreiben, würden wirtschaftliche Schutzmaßnahmen lokale Kreisläufe am Leben erhalten. Die Menschen hätten ihre Subsistenzgrundlage vor Ort und würden nicht in die Emigration gedrängt. (…)