UNO in der Hand der Kriegstreiber
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05.03.2011 / Ansichten / Seite 8
Öl ins Feuer
UNO in der Hand der Kriegstreiber
Von Werner Pirker
Der von Ghaddafi und Chávez vorgelegte Friedensplan ist den Aufständischen
und ihren ausländischen Schutzmächten nach wie vor keiner Erörterung wert.
Das heißt: Der blutige Machtkampf in Libyen soll bis zum bitteren Ende
fortgesetzt werden. Daß die libysche bewaffnete Opposition mit Ghaddafi
keinen Ausgleich sucht, sondern ihn stürzen will, ist ihr gutes Recht. Nur
sollte sie sich dann nicht über den blutigen Verlauf ihres Kampfes um die
Macht beschweren. Die »internationale Gemeinschaft« indes hätte die Pflicht,
sich um eine friedliche Lösung zu bemühen und alle Möglichkeiten dazu
auszuschöpfen. Statt dessen läßt sie sich von der westlichen Kriegsallianz,
die sich die Option eines militärischen Eingreifens zum Sturz Ghaddafis
offengehalten hat, in die Pflicht nehmen.
Nicht nur, daß die von einem US-Lakaien aus Südkorea geführte UNO ihrer
Pflicht zur Friedenssicherung nicht nachkommt, gießt sie mit ihrer Politik
der einseitigen Parteinahme für den libyschen Aufstand auch noch Öl ins
Bürgerkriegsfeuer. Die totale diplomatische Ächtung Libyens durch die
internationalen Organisationen – die Verhängung von Sanktionen, Ausschluß
des Landes aus der internationalen Menschenrechtsorganisation, vor allem
aber die Anklageerhebung gegen Mitglieder der libyschen Führung – sind von
offen kriegstreiberischer Absicht. Denn allein die Aussicht, in die Fänge
einer im Interesse der Weltordnungsmächte funktionierenden Justiz zu
geraten, wird es Ghaddafi und seinen Mitkämpfern als wenig ratsam erscheinen
lassen, dem Feind kampflos das Feld zu überlassen.
Mit Genugtuung stellen die Befürworter des »Haltet den
Völkermörder«-Prinzips fest, daß der Internationale Strafgerichtshof (IstG)
im libyschen Fall so schnell wie noch nie reagiert habe. Die von den
Rebellen und ihren Unterstützern fabrizierten einseitigen Schuldzuweisungen
sind dem Gericht Beweismaterial genug, die libysche Führung wegen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Nichts stellt die Illegitimität dieser
Gerichtsbarkeit mehr unter Beweis als die Tatsache, daß die Macht, die seit
1945 die mit großem Abstand meisten Kriegsverbrechen begangen hat, sich
unter Androhung von militärischer Gewalt jeglicher internationalen
Strafverfolgung entzieht. Obwohl aus diesem Grund nicht Mitglied des IStG
sind die USA eine der treibenden Kräfte der juristischen Abrechnung mit
einem Land, das Jahrzehnte der westlichen Hegemonialpolitik die Stirn
geboten hat. Den Milliardendieb Mubarak und seine Räuberbande vor Gericht zu
stellen, käme der Wertegemeinschaft niemals in den Sinn.
Man muß Ghaddafi und seine Herrschaftsmethoden nicht mögen. Im Gegenteil:
Eine Ablösung des zunehmend in geistige Umnachtung versinkenden »Bruder
Oberst« ist längst überfällig. Dies sollte aber wenn möglich nicht Leute an
die Macht bringen, die einen Regimewechsel um den Preis des Verlustes der
nationalen Unabhängigkeit erzwingen wollen.