Unschuldiger Mzoudi bekommt keine Haftentschädigung
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EU-Terrorverordnung: Mzoudi bekommt keine Haftentschädigung
Von Matthias Gebauer, Der Spiegel, 27. Juni 2005
Trotz Freispruch erhält Abdelghani Mzoudi für seine Tage in der Untersuchungshaft keine Haftentschädigung. Grund für die verweigerte Zahlung durch die Stadt Hamburg ist Mzoudis Eintrag auf einer Terror-Liste der EU. Diese verbietet der Stadt, die 4675 Euro auszuzahlen.
Berlin – Sein Name stand zwar weltweit in den Schlagzeilen, doch finanziell ausgezahlt hat sich sein Bekanntheitsgrad für Abdelghani Mzoudi bisher nicht. Vor seiner freiwilligen Rückkehr nach Marokko vergangene Woche versuchte der freigesprochene Freund der Hamburger Todes-Piloten sogar, mit einer kostenpflichtigen Pressekonferenz das Geld für sein Flugticket einzusammeln. Als sich fast alle Journalisten weigerten, musste er das bezahlte Interview absagen. Am Ende flog er mit einem Urlauber-Jet statt Linie.
Nun droht Mzoudi eine neue finanzielle Schlappe. Am Montag kündigte der Hamburger Justizsenator Roger Kusch (CDU) auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE an, dass die Behörde Mzoudi keine Haftentschädigung für seine Tage in der Hamburger Untersuchungshaft zahlen wird. “Die Justizbehörde ist wegen einer europäischen Verordnungen gehindert, den festzusetzenden Betrag tatsächlich auszuzahlen”, sagte der Senator. Mzoudi entgehen damit rund 4600 Euro.
435 Tage unschuldig in U-Haft
Ursprünglich hätte Mzoudi nach dem Freispruch eine Entschädigung erhalten müssen. Laut Gesetz stehen ihm pro Tag in der Untersuchungshaft elf Euro zu. Insgesamt saß Mzoudi von seiner Festnahme am 10. Oktober 2002 bis zur Aufhebung des Haftbefehls am 11. Dezember 2003 in einer Justizvollzugsanstalt ein. Für die 435 Tage U-Haft bekäme er eine Entschädigung von 4675 Euro. Nach dem endgültigen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hatten die Anwälte angekündigt, die Haftentschädigung einzufordern.
Mittlerweile aber sieht sich die Hamburger Justizbehörde durch eine EU-Verordnung blockiert. Nach den 9/11-Anschlägen hatte die Gemeinschaft eine Liste von Hunderten Terror-Verdächtigen und Organisationen erstellt, um Geldflüsse an Terror-Gruppen zu stoppen. Mit der Verordnung 881/2002 regelte der Rat, dass “den vom Sanktionsausschuss benannten juristischen und natürlichen Personen, Gruppen oder Organisationen Gelder weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen” dürfen.
“Keine Zahlungen an Mzoudi”
Auf der Liste zu der Verordnung findet sich auch der Name von Abdelghani Mzoudi. Im Juni 2003 fügte die EU den Namen des damals noch in U-Haft sitzenden Marokkaners in den Anhang 1 ein, der auch den ebenfalls angeklagten Mounir al-Motassadeq und zwei weitere noch flüchtige Freunde der Hamburger Zelle auflistet. Damit gilt auch für Mzoudi das strikte Zahlungsverbot, an das sich die Stadt Hamburg halten muss. Sein Freund Motassadeq wird im Fall eines Freispruchs wohl ebenfalls leer ausgehen.
Die Hamburger Behörde sieht die EU-Verordnung als absolut bindend an. “Der Wortlaut der Verordnung ist sehr eindeutig und erfasst jegliche Zahlungen”, sagte Justizsenator Kusch. “Solange Herr Mzoudi auf der so genannten Terrorliste der Europäischen Union steht, wird die Justizbehörde keine Zahlung an ihn leisten”, stellte er fest. Zwar werde der Anspruch auf die Haftentschädigung theoretisch nach deutschem Recht gewährt, das Geld allerdings nicht ausgezahlt.
“Sauer abgesessen”
Die Anwälte von Mzoudi reagierten verwundert auf die Aussage aus Hamburg. “Es kann doch nicht sein, dass ein unschuldig Einsitzender keine Entschädigung bekommt”, sagte der Karlsruher Anwalt Michael Rosenthal. Der Jurist zeigte sich überzeugt, dass man die Entscheidung der Hamburger Justiz anfechten könne. “Herr Mzoudi hat sich diese Entschädigung im wahrsten Sinne des Wortes sauer abgesessen”, sagte Rosenthal, “deshalb wird ihm dieses Geld niemand nehmen können”.
Neben den Streitigkeiten um die konkrete Summe wirft der Fall auch ein Licht auf eine juristische Grauzone des Anti-Terror-Kampfs. Im Fall Mzoudi wird ein in Deutschland rechtskräftig freigesprochener Angeklagter trotzdem auf einer Liste von mutmaßlichen Terroristen genannt und mit Sanktionen belegt. Die Listen werden nur aufgrund von Verdachtsmomenten erstellt. Erfahrungsgemäß ist es auch auf dem Klageweg so gut wie unmöglich, von diesen Listen wieder herunter zu kommen.
Nebenklage will Entschädigung pfänden
Im Fall Mzoudis ist eine Löschung von den Listen fast undenkbar. Laut dem rechtskräftigen Urteil ist er zwar im Sinne der Anklage unschuldig, für die präventiv agierenden Sicherheitsbehörden gilt er trotzdem weiter als verdächtig. So reichen die im Urteil bestätigten Kontakte zu den Todes-Piloten und vor allem der Aufenthalt in den Trainingscamps Osama Bin Ladens in Afghanistan für die Nennung auf den so genannten Terror-Listen. Da sich die Aufstellung sehr stark an den Angaben der Uno orientieren, die wiederum stark von den USA kontrolliert werden, ist eine Streichung von Mzoudis Namen mehr als unwahrscheinlich.
Bei den Nebenklägern in den Terror-Prozessen sorgte die Entscheidung des Hamburger Justizsenators indes für Freude. “Es ist gut, dass die Justiz Zahlungen an den noch immer verdächtigen Mzoudi verhindert”, sagte der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz. Der Jurist hatte die Hamburger Behörde kurz nach dem Freispruch über die EU-Richtlinie informiert. Niemand könne ausschließen, dass das Geld vom deutschen Staat nicht für die Unterstützung von Terror-Gruppen verwendet werde, sagte er.
Der Nebenkläger sieht für seine Mandanten nun auch noch eine andere Chance. Da er Mzoudi schon vor dem Freispruch zivilrechtlich verklagt hat, reichte er sofort ein Pfändungsgesuch für die berechnete Haftentschädigung ein. “Wenn wir schon die Schuld Mzoudis nicht nachweisen konnten, müssen wir ihn ja nicht noch fördern”, sagte der Anwalt.