USA behindern mit neuen Sanktionen Regierungsbildung im Libanon
Junge Welt, 14.09.2020
Verhandeln in Beirut
USA behindern mit neuen Sanktionen Regierungsbildung im Libanon. Premier Adib unter Druck Frankreichs
Von Karin Leukefeld, Damaskus
Ali Hashisho / REUTERS
Straße in der Nähe der Stadt Sidon. Im Hintergrund ein Plakat mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah
Die zügige Bildung einer Reformregierung, die den Libanon vor dem wirtschaftlichen Absturz bewahren soll, wird von Washington mit Sanktionen gegen zwei ehemalige Minister behindert. Betroffen sind Jusuf Finjanus, Transportminister von 2016 bis 2020, und Ali Hassan Khalil, der von 2014 bis 2020 Finanzminister war.
Die US-Regierung wirft den beiden Politikern vor, sich »mit der Hisbollah auf Kosten des libanesischen Volkes und seiner Institutionen verschworen« zu haben. Die Hisbollah habe »das politische System ausgenutzt, um ihren bösartigen Einfluss zu verbreiten«, heißt es in einer Erklärung des US-Außenministeriums von vergangener Woche. Washington dagegen unterstütze »den Ruf der Libanesen nach einer transparenten und rechenschaftspflichtigen, korruptionsfreien Regierung«.
Ali Hassan Khalil ist Berater und enger Vertrauter von Parlamentspräsident Nabih Berri, dem Vorsitzenden der schiitischen Amal-Bewegung. Diese ist mit der Hisbollah und der christlichen Freien Patriotischen Bewegung (FPM) von Staatschef Michel Aoun verbündet. Finjanus ist Politiker der christlichen Marada-Bewegung, die ebenfalls zu diesem Bündnis gehört.
Die US-Regierung stellt mit den Sanktionen gegen die beiden Politiker klar, dass jede libanesische Partei und jeder ihrer Vertreter von Washington für eine Kooperation mit der Hisbollah in einer Regierung mit Strafmaßnahmen belegt werden kann – einschließlich Staatspräsident Michel Aoun. Wie FPM, Amal und Hisbollah auf diese Ansage aus Washington reagieren werden, ist abzuwarten.
Diese Einmischung der USA richtet sich auch gegen den Plan des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Bildung einer Regierung voranzutreiben, die bis Oktober notwendige Reformen einleiten sollte. Dennoch erklärte David Schenker, Staatssekretär für den Nahen und Mittleren Osten im US-Außenministerium, Washington stimme weitgehend mit dem Vorgehen Frankreichs überein. Schenker besuchte Anfang September Beirut, unmittelbar nachdem Macron abgereist war. Eine Unstimmigkeit mit Paris gebe es lediglich bei der Frage, welche Rolle die libanesische Hisbollah in Zukunft spielen solle, so Schenker dazu in einem Gespräch bei Bloomberg TV.
Für Macron gehört die Hisbollah zum politischen System des Libanon, da sie von einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt und gewählt wird. Schenker betonte hingegen »kleine Differenzen« mit Macron und hält die Hisbollah »nicht für eine legitime politische Partei«.
Die Zukunftspartei des früheren Ministerpräsidenten Saad Hariri hat derweil Washingtons Kampagne aufgegriffen. Hadi Hobeisch, Mitglied des politischen Blocks um die Zukunftspartei, erklärte am Wochenende im libanesischen Fernsehsender MTV, man werde sich nicht an einer neuen Regierung beteiligen. Alle Parteien seien für die schlechten Lebensbedingungen im Libanon verantwortlich und müssten dafür Verantwortung übernehmen. Die Öffentlichkeit traue ihnen nach den »zahlreichen bitteren Erfahrungen« nicht mehr. Die französische Initiative zu einer raschen Regierungsbildung sei gut, allerdings sollte niemand an »bestimmten Ministerposten festhalten«, so Hobeisch – ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Parlamentspräsident Berri, der auf das Recht pocht, das Finanzministerium besetzen zu dürfen. Hobeisch schlug statt dessen ein Rotationssystem für die Ministerposten vor.
Ministerpräsident Mustapha Adib, der unter dem Druck von Paris nun die Reformregierung innerhalb der kommenden zwei Wochen vorstellen soll, hatte bereits am vergangenen Freitag Präsident Aoun eine vorläufige Liste mit Namen für die »Expertenregierung« vorgelegt. Anders als sonst üblich hatte Adib die Namen nicht mit den im Parlament vertretenen Parteien beraten, spätestens am kommenden Mittwoch sollte die Regierung stehen. Adib will das Kabinett auf nur zwölf Minister verkleinern, die jeweils zwei Ressorts übernehmen sollen.
Zwei US-Finanzunternehmen prüfen derweil die Finanzgeschäfte der Libanesischen Zentralbank. Der vorübergehend amtierende Finanzminister Ghasi Wasni teilte am Mittwoch mit, dass die »erste Phase der kriminaltechnischen Untersuchung begonnen« habe. Die Untersuchung ist eine der vom IWF und Frankreich gestellten Bedingungen an den Libanon, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.