Verfassungsschutz fördert “Terroristen”
http://www.jungewelt.de/2011/04-28/029.php
Spitzel des Tages: Irfan P.
Junge Welt, 28. April 2011
Das hatten sich die Behörden schön ausgedacht: Der Verfassungsschutz stiftet
einen Agenten an, Gleichaltrige zum heiligen Dschihad anzustacheln, die
Staatsanwaltschaft stellt die Tropfe vor Gericht. Wie es sich gehört,
empören sich die angeschlossenen Medien über die terroristischen Umtriebe,
so daß auch der letzte Stammtischbruder zwei Dinge weiß: Erstens, daß wir
ständig durch schwarzbärtige Muslime bedroht werden. Und zweitens, daß die
Behörden trotzdem alles im Griff haben.
Ein solches Arrangement zwischen Bundesanwaltschaft und Verfassungsschutz
funktioniert nur so lange, wie die Öffentlichkeit nichts davon erfährt. Das
allerdings ist jetzt im Falle des Irfan P. gründlich schiefgegangen: Der
heute 22jährige bekam laut dapd monatlich für seine Informationen über die
Islamistenszene 2000 Euro vom Verfassungsschutz, er wurde auftragsgemäß
Anführer der »Globalen Islamischen Medienfront«. Acht ihrer Mitglieder
müssen sich jetzt wegen Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung«
vor der Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichts München verantworten.
Irfan P. gehört nicht dazu, die Bundesanwaltschaft hätte ihn gerne aus dem
Prozeß herausgehalten. Daß er trotzdem am heutigen Donnerstag als Zeuge
aussagen muß, ist dem Bonner Rechtsanwalt Mutlu Günal zu verdanken, der von
P.’s wahrer Karriere zufällig in einem Berliner Prozeß erfahren hatte. Der
Jurist wundert sich: »Die Mitläufer müssen sich verantworten, und
ausgerechnet der Anführer wird verschont.«
Es ist eine Binsenweisheit, daß Verfassungsschützer und Staatsschutz Spitzel
einsetzen. Selten genug fliegen sie auf – erinnert sei an die G-8-Proteste
in Heiligendamm und an die Proteste gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg.
Oder an den Polizisten Simon Brenner und seinen britischen Kollegen Mark
Kennedy, die, als Autonome getarnt, die Protestszene ausforschten. (pw)