Verfassungsschutz schreddert partiell
Geölt und frisiert
Verfassungsschutz schreddert partiell
Von Arnold Schölzel
Seit 1990 ist die Bundesrepublik offiziell von Freunden umgeben. Das hat keine Regierung seither gehindert, die Ausdehnung der NATO nach Osten, den Bruch entsprechender Absprachen oder Verträge mit Rußland mit voranzutreiben. Es hat nicht daran gehindert, die Bundeswehr zu einer weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee aus Söldnern umzubauen, die Militärausgaben kontinuierlich zu steigern und den Rüstungsexport – vornehmlich den in Spannungsgebiete – anzukurbeln, bis weltweit der dritte Platz beim Waffenhandel erreicht war. Es hat nicht daran gehindert, 1999 am NATO-Luftkrieg ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates gegen Jugoslawien teilzunehmen, d. h. an einem per Grund- und Strafgesetz verbotenen Angriffskrieg. Wer dagegen Anzeige erstattete, erhielt von der Bundesanwaltschaft den Bescheid, nur die Vorbereitung eines Angriffskriegs, nicht aber dessen Durchführung stehe unter Strafe.
Die sogenannte Friedensdividende nach dem angeblichen Ende des Kalten Krieges trägt Früchte: Es wird nicht einfach weitergemacht, man fühlt sich befreit zu neuen militärischen Taten. Nicht Auflösung der Bundeswehr steht auf der Tagesordnung, sondern deren Aufrüstung für die Sicherung »unserer« Rohstoffe, Handelswege und strategischen Interessen demnächst in Afrika.
Bei solcher Kriegsorientierung gilt fürs Inland: Der Feind stand vor 1990 links und steht dort seitdem mehr als zuvor. Denn es besteht nun die Gefahr, daß sich politische Bewegungen entwickeln, die nicht mehr als bezahlte Hilfstruppen Moskaus oder Ost-Berlins bekämpft – vorzugsweise mit Hilfe sich links gebender Antikommunisten – und entsorgt werden können. Der bundesdeutsche Kalte-Kriegs-Apparat wurde seit 1990 geölt, frisiert und getunt. Dazu gehörte, die Inlandsgeheimdienste zu stärken, zu zentralisieren und mit Polizeibehörden zusammenzuführen. Gut investiert waren aus dieser Sicht die immensen Geldbeträge, die in östliche Bundesländer abkommandierte Verfassungsschützer verteilten, um Neonaziorganisationen aufzubauen, Linkstendenzen in der ostdeutschen Jugend zu drehen und die Rekrutierten als Hilfs-, Einschüchterungs- und Jagdtruppe gegen Antifaschisten zu verwenden. Die von Untersuchungsausschüssen befragten Sicherheitsbeamten leugnen nun, daß es neofaschistischen Terror überhaupt gegeben habe oder gibt. Dessen staatliche Alimentierung, die oft mit einer Gesinnungsgemeinschaft von Neonazi- und Staatskadern verbunden war, muß seit einem Jahr kaschiert werden. Nun schreddern Verfassungsschützer alles, was zu ihren Verbindungen mit dem Neonaziterror führen könnte. Aber die Akten zum »Linksextremismus« – also einer behördlich generierten Halluzination – wurden dabei im Juni in Berlin von der Vernichtung ausgenommen. Wer das zu diesem Zeitpunkt machte, war sich seiner Sache sicher. Zu recht: Daß speziell Hauptstadtjustiz und -innenbehörde mit Neonazis in Nadelstreifen besetzt sind, pfeifen die Spatzen von den Dächern.