Vernichtete Geheimdienstakten betrafen offenbar Kontaktpersonen des NSU
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21.07.2012 / Inland / Seite 2Inhalt
Bis in den Mai geschreddert
Vernichtete Geheimdienstakten betrafen offenbar Kontaktpersonen des NSU
Von Claudia Wangerin
Rund ein halbes Jahr lang sollen Beamte im Auftrag des Bundesinnenministeriums (BMI) nach dem Auffliegen der »Zwickauer Zelle« immer wieder Verfassungsschutzakten über abgehörte Telefonate gewaltbereiter Neonazis geschreddert haben. Den Auftrag erteilte nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten ein BMI-Sachbearbeiter am 14. November – zehn Tage nach dem Tod der mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, der zur Enttarnung der Zelle führte. Entgegen seiner eigenen Darstellung habe das Ministerium in diesem Zeitraum sogar ausschließlich Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus vernichten lassen. Akten mit Erkenntnissen über Linke oder islamische Gruppierungen seien laut Bericht der zuständigen BMI-Projektgruppe nicht betroffen gewesen. Geschreddert wurden demnach im November letzten Jahres elf Aktenordner über Observationen gegen Rechtsextremisten, im Dezember zwölf sowie im April 2012 vier und noch im Mai 2012 ein Ordner.
Dem Bericht zufolge ging es nicht um Bagatellen: Die Akten dokumentierten demnach die Ergebnisse sogenannter G-10-Maßnahmen, die nur bei »drohenden Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Landes« angewendet werden dürfen. Die Obleute des Bundestags-Untersuchungsausschusses hatten bereits vermutet, daß sich in den geschredderten Protokollen Hinweise auf das Netzwerk des »Nationalsozialistischen Untergrunds« fanden.
Ministeriumssprecher Jens Teschke räumte am Freitag ein, bei den am 5. Dezember gelöschten Daten handele es sich um Beweismittel aus Abhöraktionen, die Personen mit Kontakt zu NSU-Mitgliedern betrafen. Einen Bezug zu deren Straftaten gebe es aber nicht. Der Terrorzelle, die jahrelang unentdeckt blieb, können inzwischen zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge zugeordnet werden.
Bei den im April und im Mai 2012 vernichteten Akten sei der NSU-Bezug nicht geklärt, so Teschke.
Nach unbestätigten Berichten sollen laut Stuttgarter Nachrichten auch Aufzeichnungen zweier Vertrauter des Zwickauer Trios gelöscht worden sein.