Versuch eines Boykotts des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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Versuch eines Boykotts
Wegen zunehmender Kritik an ARD, ZDF und Co. haben es viele satt, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zahlen
Gitta Düperthal
Junge Welt, 5 Nov 2014
Internetportale rufen zur Zeit wieder vermehrt zum Boykott der monatlichen Rundfunkbeiträgen von 17,98 Euro für die Öffentlich-Rechtlichen auf. Auf diversen Webseiten sind Rechtstips zu finden, ergänzt durch angeblich anwaltlich geprüfte Musterbriefe.
Kistenweise Abmeldungen seien per Post bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingegangen, heißt es etwa auf einem von »Anonymous« gestalteten Portal. Das habe eine Aktivistin berichtet, die bei der GEZ arbeite. Die heißt inzwischen »Beitragsservice« und treibt die monatlichen Zahlungen ein.
Anwalt Felix Hoffmeyer, der mehrere Gebührengegner vertritt, hält das für glaubwürdig: »Die Eintreiber treffen den Nerv der Menschen«, sagte er zur jW. Etwa acht Milliarden Euro ziehe die Institution pro Jahr ein – mit der Begründung, für die Grundversorgung an Information zuständig zu sein. Was das öffentlich-rechtliche Fernsehen sende, habe damit aber wohl kaum noch etwas zu tun, kritisiert Hoffmeyer: »Auf ein 1986 gefälltes Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnten sich die Fernsehsehanstalten keinesfalls mehr stützen.« Vor allem die intransparente Verteilung der Einnahmen innerhalb der Sendeanstalten rufe Unmut hervor. Der Anwalt lehnt den Rundfunkbeitrag aus formaljuristischen Gründen ab: Es handele sich in Wirklichkeit um eine TV-Steuer: »Jeder muss zahlen, unabhängig davon, ob er den Rundfunk überhaupt nutzt.«
Aktivisten von »Anonymous« wehren sich aus politischen Gründen. Sie werfen den öffentlich-rechtlichen Sendern vor, gegen Russland zu hetzen. Wer Rundfunkgebühren zahle, so argumentieren sie, unterstütze aktiv diese Kriegspropaganda. Kritik an der Russland-Berichterstattung hatte zuvor schon der ARD-Programmbeirat geäußert.
Allerdings, so gibt Hoffmeyer zu bedenken, gebe es wohl kaum rechtliche Chancen, den kompletten Betrag mit einem solchen Argument zurückzuhalten. Möglicherweise könne aber auf die Verwaltungsspitzen eingewirkt werden, »damit sie sich darüber Gedanken machen«.
Ungeachtet solcher Einwände, finden sich auf den Internetseiten der politisch motivierten Boykotteure auch Rechtsratschläge. Etwa den, dass es nicht sinnvoll ist, das Zahlen der Beiträge einfach einzustellen – sondern die Rechtmäßigkeit erst gerichtlich prüfen zu lassen. Den Akteuren geht es vorrangig nicht ums Sparen, sie wollen »mit einem hohen Verwaltungsaufwand die GEZ zum Zusammenbruch bringen«.
Hoffmeyer outet sich persönlich ebenfalls als »entschiedener Gegner der Rundfunkgebühr«. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sei zum Selbstbedienungsladen geworden, kritisiert er. Die jährlich eingenommenen Milliarden würden weitgehend veruntreut. Bis heute sei z. B. nicht bekannt, was Thomas Gottschalk mit seinen Shows verdient habe. Durchgesickert sei, dass Monika Lierhaus für das Ansagen der Lottozahlen 300.000 Euro im Jahr erhalte. »Wenn es sich um eine Steuer handelt, müsste all das endlich offengelegt werden«, fordert der Anwalt. Früher habe man sich gegen die Gebühr mitunter wehren können, etwa mit dem Argument, gar kein Rundfunk- oder Fernsehgerät zu haben.
»Damals schon hat die GEZ mit rabiaten Methoden Geld eingetrieben, sie ist deshalb oft in den Schlagzeilen gewesen«, meint der Dokumentarfilmer Martin Kessler. Wer Gebühren nicht zahlen konnte oder wollte, sei mitunter »im eigenen Hausflur verfolgt« worden. Dieses System sei nun perfektioniert: »Die Ärmsten der Armen werden von Inkassounternehmen mit einschüchternden Schreiben überzogen«.
Thomas Frickel, geschäftsführender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, in der rund 800 freie Filmer Mitglied sind, findet es »respektabel«, einen Boykott »zu politischen Demonstrationszwecken« durchzuführen. Grundsätzlich plädiert er aber nicht für die Abschaffung von Rundfunkbeiträgen, sondern dafür, sie besser zu verteilen, etwa an Initiativen, die »tatsächlich für eine adäquate Meinungsvielfalt eintreten«.
Info: www.123recht.net, http://online-boykott.de/de/