Völkerrechtliches Einmischungsverbot
Völkerrechtliches Einmischungsverbot
Intervention
Die Intervention als Rechtsbegriff umfasst die Einwirkung von Staaten in ihnen fremde Angelegenheiten anderer Staaten durch Eingriff in deren Rechtssphäre unter Anwendung oder Androhung von Zwang.(…) Ebenso kann ein Staat Handlungen Privater gegen einen anderen Staat in einer Weise begünstigen, die eine staatliche Verantwortung begründet. (…)
Der Begriff der „fremden“ Angelegenheiten ergibt sich aus der Abgrenzung der Rechte und Pflichten der Staaten.(…) Nach dem Grundsatz der Gleichheit der Staaten bleibt insbesondere jedem Staat die Regelung seiner inneren Angelegenheiten in seiner staatlichen Zuständigkeit vorbehalten. Die Grenzen dieses vorbehaltenen Bereichs sind freilich nicht unumstritten. Sie unterliegen sowohl der völkerrechtlichen Entwicklung wie in gewissem Umfang der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten.(…)
Eine im Einzelfall oder generell erteilte Zustimmung des Betroffenen zum Eingreifen schließt den Tatbestand der Intervention aus.
Umstritten ist – vor allem in der Völkerrechtstheorie – die Frage, ob die Intervention vom Krieg [→Kriegsbegriff] zu unterscheiden ist oder ob der Krieg die schärfste Form der Intervention darstellt. Die Staatenpraxis neigt dazu, zwischen Intervention und Krieg einen Unterschied zu machen, sei es um die Vorteile des Fortgeltens des Friedensvölkerrechts zwischen den Parteien im Interventionsfall in Anspruch zu nehmen, sei es um die Einmischung mit dem Anspruch völkerrechtsgemäßen Handelns zu decken, da die Zulässigkeit der Intervention zwar umstritten, die Unzulässigkeit des Krieges als Zwangsmittel aber im modernen Völkerrecht unstreitig ist.
(Heinz Haedrich, Intervention, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Berlin: de Gruyter, 1961, Bd. 2, S. 145)
Teilweise wurde die Intervention in der Völkerrechtstheorie als völlig unzulässig erklärt.(…) Von dieser Ansicht ausgehend stellt sich die Frage, ob die Intervention als Rechtsbegriff nach moderner Auffassung überhaupt noch den zulässigen oder nur den völkerrechtswidrigen Zwang deckt. Hier berührt sich die Begriffsbestimmung mit dem Problem der Zulässigkeit der Ausübung von Zwang im Völkerrecht. Von dieser Vorfrage hängt es ab, ob die Intervention grundsätzlich als völkerrechtswidriges → Delikt anzusehen ist und ob im Einzelfall lediglich ein Ausschluss der → Rechtswidrigkeit Platz greifen kann oder ob das geltende Völkerrecht ein eigenes Recht zur Intervention kennt.
Soweit der Intervenient nicht allgemeine, sondern nur ihm eigene Interessen wahrnimmt, lehnt die überwiegende Meinung in der Völkerrechtstheorie die Zuerkennung eines Interventionsrechts ab. Besondere Gewohnheitsrechtssätze der Intervention werden insoweit überwiegend verneint. Soweit Interessen der Staatengemeinschaft in Betracht kommen, geht die herrschende Meinung im Hinblick auf den vorbehaltenen Bereich ebenfalls vom Prinzip des Interventionsverbots aus. Im Hinblick auf den nicht vorbehaltenen Bereich bleibt die Anwendung gewisser Zwangsmittel (Gewaltanwendung oder deren Androhung, Erregung eines Bürgerkrieges, Unterstützung von Rebellen) von vornherein untersagt, andere Handlungen können durch die Umstände des Falles unzulässig werden. Dagegen wird die Möglichkeit bejaht, auf Grund allgemeiner Rechtssätze für die Staatengemeinschaft – wie für die besonders betroffenen Staaten – ein Recht abzuleiten, die Intervention als völkerrechtliches Zwangsmittel wegen Verletzung völkerrechtlicher Pflichten einzusetzen und vor allem dort mit Hilfe der Intervention auf die Einhaltung der Regeln des Völkerrechts zu dringen, wo durch ein allgemeines Verbot der Anwendung von Zwang der Rechtsbrecher mit Rücksicht auf das Fehlen internationaler Vollstreckungsmöglichkeiten [→ Internationale Gerichtsbarkeit; → Schiedsgerichtsbarkeit, Internationale] in unzumutbarer Weise begünstigt würde. Dieses Recht kann selbst den vorbehaltenen Bereich berühren, wenn ein Staat durch seine völkerrechtlichen Pflichten auch in diesem Bereich zu entsprechendem Handeln gehalten ist. Die Weiterentwicklung dieses Gedankens zur Zulässigkeit der Intervention durch die Staatengemeinschaft allein hängt vom Bestehen einer anerkannten und funktionsfähigen Organisation der → Völkerrechtsgemeinschaft ab.
Der Völkerbundspakt [→ Völkerbund] sah, die Kollektivintervention zur Wahrung des Friedens und des Rechts vor. Jedoch war die Intervention des Völkerbunds dort ausgeschlossen, wo die ausschließliche Zuständigkeit eines Staates nach internationalem Recht anzunehmen war.
Die Satzung der → Vereinten Nationen hat den Gedanken der Kollektivintervention zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit aufgenommen [→ Friedenssiche-/146/rungsgedanke]. Sie nimmt jedoch in Art. 2 (7)* hiervon solche Angelegenheiten aus, die „im wesentlichen“ unter eine nationale Zuständigkeit fallen. Sie dehnt also im Verhältnis zur Völkerbundssatzung das Interventionsverbot gegenüber dem nationalen Bereich weiter aus.
Daneben enthält die Satzung der Vereinten Nationen Ansätze zur Regelung der Intervention aus humanitären Gründen. Die unbestimmte und abstrakte Formulierung der Grundsätze und die wenig praktische Möglichkeiten eröffnenden Verfahrensregeln lassen jedoch die Durchsetzungsmöglichkeit dieser Grundsätze bisher gering erscheinen.
(Heinz Haedrich, Intervention, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Berlin: de Gruyter, 1961, Bd. 2, S. 146-147)
* (7) Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.
Interzession
Die herrschende Auffassung in der Völkerrechtstheorie versteht unter Interzession die Erteilung freundschaftlicher Ratschläge oder taktvoller Ermahnungen zwischen → Regierungen. Die Einwirkung kann sowohl die äußeren wie die inneren Angelegenheiten eines Staates betreffen. Die auf dem Grundsatz der → Gleichheit der Staaten sich gründende → staatliche Zuständigkeit vor allem im „vorbehaltenen Bereich“ der inneren Angelegenheiten wird durch die Interzession nicht berührt. Sie greift nicht in die Rechte des betroffenen Staates ein. Zwar wird auch der Interzedent in der Regel eigene Interessen oder Interessen der Staatengemeinschaft vertreten. Im Gegensatz zur → Intervention belässt aber die Interzession dem betroffenen Staat die Freiheit seine Rechte nach eigenem Ermessen auszuüben und enthält sich jeden Zwanges oder der Androhung von Zwang. Der Tatbestand der Interzession wird deshalb auch durch die Zustimmung des oder der betroffenen Staaten nicht berührt.
Der Begriff der Interzession hat in der Staatenpraxis keine größere Bedeutung erlangt. In der Völkerrechtstheorie wird er in der Regel nur in seiner Abgrenzung von der Intervention behandelt.
(Heinz Haedrich, Artikel „Interzession“ in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Berlin: de Gruyter, 1961, Bd. 2, S. 147)