Von Uri Ben-Ari bis David Hagoel
Übersetzung aus DAVAR (Tel Aviv), 5. Mai 1978
von Nachum Barnea
Verteidigungsminister Weizman versucht den Eindruck zu erwecken, er habe den historischen Akt von Ben Gurion wiederholt. Ben Gurion, damals ebenfalls Verteidigungsminister, verfügte 1957 die Entlassung des Truppenkommandeurs Uri Ben-An, weil er einen Offizier deckte, der einige Sack Zucker gestohlen hatte. Ben Gurions drastischer Akt sollte beweisen, daß bei der israelischen Armee hohe moralische Normen gelten, höhere als in ganz Israel. Die Wahrheit zu der Geschichte ist aber die, daß man jahraus, jahrein weitaus schwerwiegendere Vergehen, als die von Ben-An, durchgehen ließ, und daß der Mythus, den Ben Gurion um die Reinheit der israelischen Armee schuf, geradezu zum bequemen Deckmantel für viele gesetzwidrige Handlungen wurde. Trotzdem ist die Entlassung von Ben-An ein Symbol aus besseren Tagen geblieben, den Tagen, da die Armee nach moralischen Prinzipien geführt wurde.
Ezer Weizman möchte gerne seine Entscheidung vom Dienstag, David Hagoel aus dem Amt zu entlassen, neben der von Ben Gurion in der Ben-An Affäre eingeordnet sehen. Was Weizmans politischen Status und was die Entwicklung der Ereignisse angeht, die zu Hagoels Entlassung führten, kann man sagen, daß diese Entlassung moralisch eher gerechtfertigt ist, als jene von 1957. Aber Weizmans derzeitige politische Stellung macht es ihm schwer, seine Botschaft an den Mann zu bringen. Extreme nationalistische Elemente haben bereits gestern den Versuch unternommen, die Angelegenheit von der moralischen auf die politische Ebene zu verlagern. Bis jetzt haben diese Kreise Weizman als Doppelagenten des amerikanischen Feindes und des ägyptischen Feindes darzustellen versucht. Nun kommen sie mit Andeutungen, daß diese Affäre ihn auch noch als Agenten Yassir Arafats ausgewiesen hat.
Die Geschichte mit den Granaten war eine furchtbare Sache, die allen humanen Ansprüchen des israelischen Regimes entgegensteht. Der Haken ist der, daß ähnliche Aktionen in der Vergangenheit akzeptiert worden sind und sogar auf die stillschweigende Billigung höchster Stellen stießen. Wann immer in der Vergangenheit Einwohner der Westbank sich über solche Aktionen beschwerten, wurden sie von den Behörden regelmäßig als unwahr nachgewiesen. Der Armee- Sprecher tat das gleiche.
Das ist natürlich der Grund, weshalb Nissim Cohen, der stellvertretende Militärgouverneur von Bethlehem, und seine Soldaten sicher waren, daß sie von oben gedeckt werden. Aber die Sache wurde kompliziert. Donald Neff von TIME hörte von dem Zwischenfall, stellte eigene Untersuchungen an und veröffentlichte seine Ergebnisse. Seine Darstellung war schockierend. Eine zweite Untersuchung von Yehuda Litani kam zu ähnlichen Ergebnissen. In vollem Widerspruch dazu stand die Erklärung des Armee-Sprechers. Ganz abgesehen von allem anderen entstanden schwere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Armee (7).
Bei solchen Affären kann man immer zwei Stufen beobachten: Zuerst die Aktion und dann die Vertuschung. Nachdem der Verteidigungsminister sich eingeschaltet hatte, brachte die von der Armee durchgeführte Untersuchung ein ganzes System von Lügen an den Tag. Offenbar ließen sich die Vorgesetzten von Nissim Cohen von den Aussagen der Soldaten "verführen" und kamen ohne ausreichende Beweise zu dem Schluß, daß die Geschichten der Schüler erfunden sind. Oder sie wußten, daß sie wahr sind, und entschlossen sich, die Sache zu decken und die Armeespitze und den Verteidigungsminister irrezuführen. Vielleicht auch ist man auf etwas total Verfaultes innerhalb der Militärregierung der Westbank gestossen…