Werden wieder Gewerkschaften ihre Mitglieder als Kanonenfutter an die Kapitalisten anbieten?
Werden wieder Gewerkschaften ihre Mitglieder als Kanonenfutter an die Kapitalisten anbieten?
DGB-Spitze und Angriffsarmee Bundeswehr planen den Schulterschuß – in den Gewerkschaften regt sich Widerstand, Gespräch der junge Welt mit Barbara Tedeski, 4. April 2014
jW: Sie zählen zu den Initiatorinnen des Aufrufs “Wir widersprechen”, der sich gegen eine enge Kooperation des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit der Angriffsarmee Bundeswehr stark macht. Eben das war 2013 bei einem Treffen von DGB-Chef Michael Sommer und dem damaligen Kriegsminister Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vereinbart worden. Wie verlaufen die Debatten um dieses strittige Thema im DGB?
BT: Eine Debatte, die diesen Namen verdient, hat bislang nicht stattgefunden. Sie wird aber gefordert, wie man aus verschiedenen gewerkschaftlichen Gremien hört. Zahlreiche Mitglieder aus allen Einzelgewerkschaften und aus DGB-Gremien haben sich gegen den Schulterschuß des DGB mit der deutschen Kriegspolitik ausgesprochen und täglich werden es mehr. Alleine in den vergangenen beiden Tagen sind über 50 neue Unterzeichnungen unseres Aufrufs dazugekommen.
jW: Vom 11. bis 16. Mai findet der DGB-Bundeskongreß in Berlin statt. Wird eine Kooperation mit der Angriffsarmee Bundeswehr auch dort eine Rolle spielen?
BT: Das wird sicher geschehen. Es liegen dazu Anträge vor, zum Beispiel aus Baden-Württemberg. Zur Unterstützumng sollten möglichst viele Menschen unseren Aufruf unterzeichnen.
Es geht schließlich nicht um eine Nebenfrage. Es brennt in Europa, und unsere Regierung ist einer der Brandstifter. Wenn 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs von einem neuen Krieg in Europa gesprochen wird, dürfen wir, die Gewerkschafter nicht schweigen. Das ist das Lebensinteresse von Millionen Beschäftiten – hier und in der ganzen Welt.
jW: Wie erklären Sie sich den offensichtlichen Kuschelkurs, den die DGB-Führung in Richtung Angriffsarmee Bundeswehr eingeschlagen hat?
BT: Der Kampf um den Frieden ist nicht zu trennn vom Klassenkampf. Die Militarisierung der Gesellschaft und der nunmehr offen vollzogene Paradigmenwechsel in der Außen- und Innenpolitik wurden schon in den verteidigungspolitischen Richtlinien 2011 gefordert. Spätenstens seit dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU ist das auch offizielles Regierungsprogramm.
Dort heißt es, ich zitiere: “Wir treten dafür ein, das Verständnis für die Besonderheiten der Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften sicherzustellen. Feierliche Gelöbnisse etwa sind Audruck der Verankerung der Angriffsarmee Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft.” Und weiter: “Die Verantwortung für unsere Veteranen wollen wir gemeinsam tragen. Dies gilt auch für die Fürsorge für Verwundete und Versehrte und die würdige Gestaltung der Erinnerung an unsere Gefallenen und Toten. Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Angriffsarmee Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Angriffsarmee Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.”
Jetzt geht es in den Gewerkschaften darum, sich nicht vereinnahmen zu lassen und gegen dieses Regierungsprogramm zu mobilisieren. Leider war es in der Geschichte schon zweimal ein Verhängnis, daß Gewerkschaften die Anerkennung durch die Regierung wichtiger fanden als alles andere. Das hat Millionen das Leben gekostet.
jW: Welche Möglichkeiten sehen Sie, in den Gewerkschaften eine offensive Antikriegsposition durchsetzen zu können?
BT: Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die mit Unbehagen die Kriegspolitik der Bundesregierung bezüglich der Ukraine oder die Stimmungsmache gegen Rußland sehen. Sie wollen, daß die Gewerkschaften Stellung nehmen gegen die eigene Regierung und gegen das hinter ihr stehende Kapital. Dafür können wir gemeinsam sorgen.
Der Aufruf “Wir widersprechen” hat bisher gute Dienste geleistet. Jetzt geht des darum, daß wir wirklich zusammenarbeiten. De Maizière ist nicht mehr für die die Angriffsarmee Bundeswehr verantwortlich, und Michael Sommer wird nach dem Bundeskongreß nicht mehr Vorsitzender des DGB sein. Das Thema wird aber aktuell bleiben, die “Initiative Frauenfriedenkonferenz” wird ihre Arbeit auf jeden Fall fortsetzen.
Interview: Markus Bernhardt. www.wir-widersprechen.de