Wie unterscheidet man zwischen authentischem und synthetischem Terrorismus?
Wie unterscheidet man zwischen authentischem und synthetischem Terrorismus?
Von Elias Davidsson, Januar 2015
Immer wenn die Gewalt plötzlich und wahllos gegen Zivilisten ausgeübt wird und die Identität der Täter sich nicht eindeutig feststellen lässt, sollte man fragen, ob es eine authentische oder synthetische Terroroperation gewesen ist. Die folgenden acht Fragen gestatten eine vorläufige und vernünftige Einschätzung solcher Ereignisse.
Frage 1: Hat sich eine reelle Organisation zur Tat bekannt?
Kommentar: Eine reelle Organisation ist eine, deren leitende Personen zugänglich sind, welche sich auf Mitglieder stützt und die sich für erklärte Ziele einsetzt. Der Freidenkerverband ist z. B. eine reelle Organisation. Das Rote Kreuz eine andere. Die kurdische PKK ein dritte. Es gibt reelle Organisationen, die gelegentlich terroristische Anschläge ausführen, z. B. die palästinensische Organisation Hamas. Es ist zwar theoretisch möglich, dass man Fälle finden kann, wo authentische Terroristen ihre Signatur nicht hinterlassen wollen, aber da der Sinn terroristischer Handlungen ist, eine Botschaft zu vermitteln – z. B. eine Forderung – würde eine solche Geheimhaltung dem Zweck der Gewalttat widersprechen.
Fazit: Wenn eine Gewalttat, die dem äußerlichen Anschein nach politisch motiviert ist, zu der sich keine reelle Organisation bekennt, ist die Vermutung berechtigt, dass sie durch Geheimdienste bzw. Militär eines Staates inszeniert wurde, um sie einer dritten Partei in die Schuhe zu schieben.
Frage 2: War die gewaltsame Handlung von einer politischen Forderung begleitet?
Kommentar: Eine authentische terroristische Handlung wird in der Regel durch eine ausdrückliche, bzw. implizite Forderung begleitet, die von einer breiten Volksbewegung unterstützt wird und mit den erklärten Zielen der Organisation übereinstimmt. Wenn keine Forderung gestellt wird, bzw. wenn diese Forderung weder mit den erklärten Zielen der Organisation übereinstimmt noch von einer breiten Masse getragen ist, ist die Vermutung berechtigt, dass die Handlung durch Geheimdienste bzw. Militär eines Staates inszeniert wurde.
Frage 3: Falls die mutmaßlichen Täter getötet oder gefasst wurden, wurden sie von einer breiten Volksbewegung als Helden oder Märtyrer gefeiert?
Kommentar: Personen, die erfolgreich authentische terroristische Handlungen führen, werden in der Regel von ihrem Volk oder von Mitgliedern ihrer Bewegung, und sogar von ihren Familien, als Helden oder Märtyrer verehrt. Wo solche Verehrung völlig fehlt, deutet die Handlung auf eine inszenierte Terroroperation hin.
Frage 4: Falls die mutmaßlichen Täter überlebt haben und vor Gericht gestellt wurden, haben sie die moralische Legitimität ihrer Angriffe öffentlich verteidigt?
Kommentar: Man darf wohl annehmen, dass Teilnehmer einer authentischen terroristischen Handlung an die
Gerechtigkeit ihrer Aktion glauben. Man darf daher erwarten, dass sie ein offenes Gerichtsverfahren dafür nützen, um ihre Tat zu rechtfertigen und für ihre Sache zu werben. Wenn aber mutmaßliche Täter ihre Teilnahme an der Operation bestreiten, bzw. sich von der Tat distanzieren, kann davon ausgegangen werden, dass sie entweder zu dieser Teilnahme durch Täuschung angeworben oder sie zu Unrecht beschuldigt wurden.
Wenn aber die mutmaßlichen Täter als tot gelten, können sie nicht vor ein Gericht gestellt werden. Der Tod mutmaßlicher Terroristen ist für Staaten nützlich, denn dann braucht der Staat nicht ihre Schuld gerichtlich nachzuweisen: Polizeiliche Behauptungen genügen. Der Tod mutmaßlicher Terroristen, aus welchen Gründen auch immer, ist ein erhebliches Merkmal inszenierter Terroroperationen.
Frage 5: Erfüllte die Ermittlung, bzw. die Untersuchung der terroristischen Handlung, die Forderungen der Unparteilichkeit, der Unabhängigkeit von Ermittlern, der Gründlichkeit und der Transparenz?
Kommentar: Staatsbehörden sind laut Menschenrechtsnormen verpflichtet, bei Mordtaten, insbesondere politischen Mordtaten, angemessen zu ermitteln. Wenn eine solche Untersuchung diese vier Merkmale einer angemessenen Ermittlung nicht erfüllt, liegt die Vermutung nahe, der Staat wolle die Tat nicht aufklären. Eine unzureichende Untersuchung liegt dann vor, wenn Obstruktion, Inkompetenz, erhebliche Lücken in der Beweisführung, Unterdrückung von Beweismitteln und fragwürdige Indizien vorliegen. In solchen Fällen muss der Staat als Hauptverdächtigter betrachtet werden.
Frage 6: Besaßen die Behörden eine Vorkenntnis des Anschlages oder haben sie die mutmaßlichen Täter schon früher überwacht?
Kommentar: Wo mutmaßliche Terroristen durch staatliche Stellen im Vorfeld überwacht worden sind, liegt es nahe, dass die Behörden den Anschlag hätten verhindert können. Wenn die Operation durchgeführt wurde, ergibt sich die Vermutung, dass die Behörden sie bewusst zugelassen haben oder die überwachten Personen der Täterschaft der inszenierten Operation bezichtigen.
Frage 7: Gab es während der Anschläge oder kurz vor den Anschlägen eine Anti-Terror-Übung seitens der Polizei oder des Militärs?
Kommentar: Wenn eine Anti-Terror-Übung gleichzeitig oder unmittelbar vor einer terroristischen Handlung stattfindet, gilt dies als erhebliches Merkmal für eine inszenierte Terror-Operation. Eine großangelegte Militärübung fand z. B. am Morgen des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten statt. In dieser Übung wurden Flugzeugentführungen simuliert. Wegen dieser Übung wurden Fluglotsen völlig verwirrt, da sie nicht zwischen wahren Flugzeugen und simulierten Flugzeugen auf ihren Radarsichtgeräten unterscheiden konnten. Im Schatten dieser Übung wurden die Anschläge durchgeführt. Auch während der Londoner Bombenanschläge des 7. Juli 2005 gab es eine Antiterror-Übung, die das gleiche Szenario der wahren Anschläge als Grundlage der Simulation benutzte. Vor den Madrider Bombenanschlägen des 11. März 2004 führte die NATO in Spanien Antiterror-Übungen, über die wenig Information vorhanden ist. Am Nachmittag der Terroranschläge des 22. Juli 2011 in Oslo und Utøya (Norwegen) haben norwegische Spezialkräfte eine Antiterrorübung ausgeführt. Diese Spezialisten standen daher für die Bekämpfung der eigentlichen Mörder nicht zur Verfügung.
Frage 8: Wer profitierte von der terroristischen Handlung?
Kommentar: Wer von einer Straftat profitiert, gilt normalerweise als Verdächtigter. Der Gewinn muss nicht unmittelbar finanziell sein. Erhebliche politische Gewinne gehören selbstverständlich zu solchen Taten. Im Umkehrschluss kann man davon ausgehen, dass, je aufwendiger die Planung und Durchführung einer terroristischen Handlung ist, umso wahrscheinlicher haben die Planer der Operation die voraussichtlichen Folgen der Tat mit einbezogen. Man darf wohl annehmen, dass eine Organisation keine Operationen plant, die ihren Interessen eindeutig widerspricht.
Die Benutzung der acht Kriterien zur Bewertung von Nachrichten über Anschläge
Wenn eine terroristische Operation mehr als drei der Kriterien erfüllt, stellt sich die Frage, ob es eine inszenierte Operation war. Wenn mehr als vier Kriterien erfüllt sind, liegt die Vermutung nahe, dass es eine inszenierte Operation war. Wenn mehr als fünf Kriterien erfüllt sind, so muss man davon ausgehen, dass es eine inszenierte Operation war, es sei denn, dass das Gegenteil eindeutig nachgewiesen wird.
Testbeispiel: Die Anschläge in Paris in Januar 2015
Frage 1: Hat sich eine reelle Organisation zur Tat bekannt? Nein. Al-Qaida ist keine „reelle Organisation“, da man sie weder anschreiben oder mit ihr telefonieren kann, noch hat sie eine bekannte Struktur. Was hinter dem Namen al-Qaida steckt, ist nicht geklärt.
Frage 2: War die gewaltsame Handlung von einer politischen Forderung begleitet? Nein. Die Behauptung, die Handlung sei eine Rache gegenüber der Veröffentlichung von Mohamed-Karikaturen, ist bloß eine Mutmaßung, ja sogar eine dürftige Mutmaßung. Die mutmaßlichen Täter haben keine Forderung gestellt, sind tot und können ihre mutmaßlichen Forderungen und Motive nicht bestätigen.
Frage 3: Falls die Täter getötet oder gefasst wurden, wurden sie von einer breiten Volksbewegung als Helden oder Märtyrer zelebriert? Nein. Die gesamte Welt hat diese Anschläge verurteilt. Die Identität von Islamisten, die angeblich die Anschläge im Internet gefeiert haben, ist nicht bekannt. Solche nicht nachweisbaren Behauptungen der Massenmedien müssen als Propaganda abgetan werden.
Frage 4: Falls die Täter überlebt haben und vor Gericht gestellt wurden, haben sie die moralische Legitimität ihrer Angriffe öffentlich verteidigt? Die mutmaßlichen Täter sind nicht nur tot, sondern wurden von der Polizei hingerichtet. Diese Umstände entheben den französischen Staat der Pflicht, die Schuld der getöteten Personen nachzuweisen. Wenn sich der französische Staat von dem Verdacht der Hinrichtung befreien will, muss er hinreichende Beweise vorlegen, dass die Polizei die Verdächtitgen zur Selbstverteidigung erschossen haben. Solange diese Beweise nicht vorliegen und unabhängig bewertet werden können, besteht der Verdacht der Hinrichtung und damit der Verdacht einer staatlichen Vertuschung.
Frage 5: Erfüllte die Ermittlung bzw. die Untersuchung der terroristischen Handlung die Forderungen der Unparteilichkeit, der Unabhängigkeit von Ermittlern, der Gründlichkeit und der Transparenz? Bis jetzt wurde zu dieser terroristischen Handlung nicht ermittelt. Die französischen Behörden und Massenmedien haben bereits nach einigen Stunden drei Menschen als Massenmörder bezeichnet und ihnen Motive zugeschrieben. Dieses Verhalten ist mit den Grundsätzen des Rechtsstaates nicht vereinbar. Keine unabhängige Untersuchung der Tatbestände ist vorgesehen. Damit verletzte der französische Staat seine internationale Verpflichtung, eine unparteiische, unabhängige, gründliche und transparente Untersuchung durchzuführen, und machte sich selbst verdächtig.
Frage 6: Besaßen die Behörden eine Vorkenntnis des Anschlages oder haben sie die mutmaßlichen Täter schon früher überwacht? Die französische Polizei und die US-amerikanischen Behörden hatten die mutmaßlichen Täter schon Jahre lang im Visier. Sie behaupten – ohne Nachweise – , dass die mutmaßlichen Täter ihre Anschläge so geheim gehalten hätten, dass etliche Überwachungen nichts genützt hätten. Über die genauen Beziehungen zwischen der Polizei, den Geheimdiensten und den mutmaßlichen Tätern gibt es keine verlässlichen Informationen. Die überwachten Personen sind tot und können darüber nichts mehr aussagen.
Frage 7: Gab es während der Anschläge oder kurz vor den Anschlägen eine Anti-Terror-Übung seitens der Polizei oder des Militärs? Darüber ist nichts bekannt.
Frage 8: Wer profitierte von der terroristischen Handlung? Die französische Regierung hat einen enormen Zuspruch durch diese Anschläge erhalten, im Inneren wie international. François Hollande ist plötzlich ein geschätzter Staatsmann. Die französischen Behörden konnten unmittelbar nach den Anschlägen neue Gesetze durchsetzen, die sie sonst nicht hätten durchsetzen können. In der französischen Gesellschaft ist durch diese Anschläge die Akzeptanz einer offensiven Außenpolitik erreicht worden. Durch den Angriff auf Journalisten wurde die Kritik an den heutigen Medien geschwächt. Durch die Wahl einer links-orientierten Zeitschrift wurden erhebliche Teile der Linken für den antiterroristischen Kampf gewonnen. Durch diese Anschläge ergaben sich Möglichkeiten, die muslimische Minderheit einzuschüchtern. Der Staat Israel profitierte von den Anschlägen in zweierlei Hinsicht: Erstens erschwerten die Anschläge eine eindeutige Verurteilung der israelischen Staatsverbrechen und schwächten die Unterstützung der Palästinenser; und zweitens führten die Anschläge zu einer Hysterie unter französischen Juden, die nun über Auswanderung nach Israel nachdenken. Israel hat sich immer gewünscht, als Stärkung des jüdischen Staates mehr Juden zur Immigration zu bewegen. Die USA ihrerseits profitierten von den Anschlägen in der Art, dass Frankreich sich nicht von der USA-dominierten Politik abwendet.
Auf der anderen Seite profitierten weder islamische Staaten, die Palästinenser noch die Muslime im Westen von den Anschlägen. Im Gegenteil, sie waren alle Verlierer dieser Anschläge und wurden beinahe gezwungen, sich von den Anschlägen zu distanzieren, obwohl kein Nachweis existierte, dass die Anschläge mit dem Islam etwas zu tun hatten. Die Anschläge boten den nicht-muslimischen Staaten Möglichkeiten, islamische Staaten und Organisationen unter Druck zu setzen.
Die Bewertung der Pariser Anschläge auf Grund der hier angeführten Merkmale zeigt, dass 7 der 8 Merkmale erfüllt sind. Nur das 7. Merkmal fehlt, nämlich simultane Antiterrorübungen. Damit ergibt sich, dass diese Anschläge als eine staatlich inszenierte Operation bewertet werden sollten, solange das Gegenteil nicht eindeutig nachgewiesen ist.
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Beweislast
Es ist wichtig zu betonen, dass, wo Straftaten begangen werden, es dem Staat obliegt, die Schuld der Täter eindeutig nachzuweisen. Auch wenn der Verdacht besteht, der Staat betrüge seine Bevölkerung, obliegt es NICHT der Bevölkerung, einen eindeutigen Gegenbeweis vorzulegen, weil typischerweise der Bevölkerung Zugang zu wichtigen Daten verweigert wird. Da staatliche Behörden selbst entscheiden dürfen, wann und gegen wen ermittelt wird, kann man nicht von staatlichen Behörden erwarten, gegen Verbrechen ihrer Vorgesetzten zu ermitteln. Wo ein begründeter Verdacht einer staatlich inszenierten Terroroperation besteht, muss die Bevölkerung aus Gründen des Selbstschutzes politische Schlüsse ziehen. Jene Personen und Instanzen, die zur Vertuschung der staatlichen Operation beitragen, sollten als verdächtigte Kriminelle bezeichnet und behandelt werden. Dies gilt für alle Beteiligten, darunter Politiker, Beamte, Journalisten, Richter und Wissenschaftler, die sich der Aufklärung der terroristischen Handlung widersetzen bzw. ihre Vertuschung dulden.
Inszenierter Terrorismus und staatliche Legitimität
Im politischen Bereich spielt die Frage der Legitimität eine zentrale Rolle. Machthaber möchten sich immer eine moralische Legitimierung verschaffen, d. h. in den Augen der Bevölkerung als berechtigte Machthaber zumindest geduldet zu werden. In Diktaturen wird die Macht durch unmittelbare Einschüchterung der Bevölkerung gesichert. In Demokratien, in denen die kapitalistische und imperialistische Gesellschaftsordnung herrscht, ist die Sicherung der Macht ohne Betrug nicht möglich. Eine Legitimierung der Macht muss also durch Betrug erkauft werden. Dieses Streben nach Legitimität durch politischen Betrug ist die Achillesferse der kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaftsordnung. Diese Achillesferse durch Aufklärung von inszeniertem Terrorismus zu nutzen, ist eine erstklassige Strategie, um dem imperialen Staat seine Legitimation zu entziehen.