»Zentrales Nervensystem« für den Drohnenkrieg
»Zentrales Nervensystem« für den Drohnenkrieg
Die US-Basis in Ramstein ist das Zentrum für unbemannte Luftschläge. Eine Veranstaltung in Berlin trug die Fakten zusammen
Von Matthias Monroy, Junge Welt, 18. Juni 2015
Der Tod kommt von oben: US-Drohne »Hunter«, hier in der US-Basis Vilseck-Grafenwoehr
Foto: Michaela Rehle / Reuters
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Rund 80 Personen waren am Dienstag abend in die Volksbühne zur Veranstaltung über die Rolle Deutschlands im US-Drohnenkrieg gekommen. Unter dem Motto »Der Tod aus der Luft« luden die Linksfraktion im Bundestag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Sichtung der Fakten über die US-Basis in Ramstein. Nach Medienberichten diente die Anlage zunächst als Relaisstation, um Einsätze von Drohnen in Afrika zu steuern. Die Piloten sitzen dabei in Kontrollzentren in den USA. Mit den Antennen in Ramstein umgehen die Militärs das Problem, dass Daten zwischen Drohnen und Bodenstationen wegen der Erdkrümmung um einige Sekunden zeitverzögert übermittelt werden. Deshalb wird zwischen den USA und Ramstein ein Glasfaserkabel genutzt. Erst in Deutschland wird das Signal auf Satellit umgeschaltet.
Ein Team der Süddeutschen Zeitung und der beiden Sender WDR und NDR konnte recherchieren, dass die US-Armee in Ramstein aber auch ein Kontrollzentrum gebaut hat. Auf der Veranstaltung erklärte der Investigativjournalist Frederik Obermaier, wie die Drohnenbilder dort in Echtzeit ausgewertet und Erkenntnisse an die Piloten gefunkt werden. Die Analyseeinheit gehört zum »Air and Space Operations Center« Ramstein, das vom 200 Kilometer entfernten amerikanischen Oberkommando für Afrika (AFRICOM) in Stuttgart befehligt wird.
Die Bundesregierung wurde von AFRICOM über die Bauten in Ramstein informiert, kennt deren Verwendungszweck aber angeblich nicht. Abgeordnete und Journalisten werden stets beschwichtigt, von Ramstein flögen keine US-Drohnen. Auch würden dort keine Einsätze befehligt. Bei seinem Besuch in Berlin hatte US-Präsident Barack Obama dies wiederholt. Reine Schutzbehauptungen, denn das hatte niemand behauptet.
Letztes Jahr bestätigte der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant die Medienberichte. Demnach riefen Piloten aus den USA zu Schichtbeginn stets in der deutschen Air Base an. Wenn bei den Drohnenflügen Langeweile aufkam, habe Bryant sogar mit Analysten in Ramstein gechattet. Immerhin bewog die Aussage des Expiloten das Auswärtige Amt zum Abschicken eines »Fragenkataloges« an die US-Regierung. Wie ein »Beobachtungsvorgang« des Generalbundesanwaltes entpuppte sich das Schreiben als Abklingbecken für die öffentliche Aufmerksamkeit, denn es verschwand nach fast einem Jahr in der Versenkung. Zuvor hatte die zuständige Staatssekretärin auf mehrmalige Nachfrage der Linke-Abgeordneten Andrej Hunko und Niema Movassat noch behauptet, man erinnere die US-Regierung »fortgesetzt«, »eindringlich« und später »mit Nachdruck« an die Beantwortung. Doch trotz aller »fortgesetzt eindringlichen« Mahnungen kam aus Washington auch weiter keine Reaktion. Kleinlaut teilte das Auswärtige Amt schließlich mit, man verzichte auf die Fragen, nachdem die »US-Seite« noch einmal versichert habe, dass in Ramstein keine Drohnen starten oder landen.
Selbst eine Kundgebung mit mehreren Abgeordneten der Linksfraktion vor der Air Base in Ramstein blieb in der Sache erfolglos. Die Bundesregierung zieht sich auf den Standpunkt zurück, sie sei gemäß des NATO-Truppenstatutes nicht verantwortlich für das Handeln der US-Armee. Die Prüfung von Einzelfällen habe keine völkerrechtswidrigen Handlungen belegt. Dennoch hat sich inzwischen auch der Europarat in einer Resolution kritisch zum Drohnenkrieg geäußert. Dessen Mitgliedsstaaten könnten nun aufgefordert werden, völkerrechtswidriges Handeln der USA auf ihrem Territorium zu untersuchen.
Wie die Bundesregierung auch juristisch in die Zange genommen wird, erklärte Wolfgang Kaleck von der Menschenrechtsorganisation ECCHR in Berlin. Der Snowden-Anwalt vertrat eine Klage jeminitischer Drohnenopfer vor dem Verwaltungsgericht in Köln. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergab sich aus dem Sitz des Verteidigungsministeriums auf der Hardthöhe in Bonn. Die Richter erklärten die Klage für zulässig, folgten den Klägern aber nicht. Nun steht die Berufung vorm Oberwaltungsgericht in Münster an. Mittlerweile haben auch somalische Hinterbliebene eine Klage in Köln eingereicht.
Sowohl den Klagen als auch den Medienberichten würde es ohne Aussagen früherer Verantwortlicher an Substanz fehlen. Außer Brandon Bryant spricht nun allerdings selbst der frühere NSA-Geheimdienstdirektor James Clapper Klartext und nennt Ramstein das »zentrale Nervensystem« für Drohneneinsätze.