Zeugen zum Kooperationsprojekt zwischen BND und NSA sagen vor Untersuchungsausschuss aus
»Eikonal« im Visier
Zeugen zum Kooperationsprojekt zwischen BND und NSA sagen vor Untersuchungsausschuss aus
Von Michael Merz
Gegen Spitzelbrüderschaft der Geheimdienste: »Freiheit statt Angst«-Demonstration in Berlin
Foto: Rainer Jensen/dpa-Bildfunk
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Die terroristischen Attentate von Paris in der letzten Woche haben der Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag einen Bärendienst erwiesen. Als hätte der Ausschuss nicht schon genug mit bis zur Unkenntlichkeit geschwärzten Akten oder aufklärungsunwilligen Zeugen zu tun, werden nun wieder Stimmen laut, die staatliche Überwachung deutlich auszuweiten. CSU-Politiker überbieten sich in populistischen Forderungen, die CDU möchte mehr Videokameras in Städten, auf den Ruf nach anlassloser Vorratsdatenspeicherung und der Überprüfung von Flugpassagieren musste auch nicht lang gewartet werden. Als hätten solche Maßnahmen die Anschläge von Paris verhindert. »Es ist absurd, wie versucht wird, durch solche Anlässe die eigene Agenda durchzusetzen«, sagte der Grünen-Obmann des NSA-Ausschusses, Konstantin von Notz, am Dienstag in einem Pressegespräch. Seines Erachtens machen die Ereignisse den Untersuchungsauftrag des Ausschusses erst recht »hochrelevant«. Für seinen Stellvertreter Hans-Christian Ströbele ergibt sich dadurch ein weiterer Gesichtspunkt. Er stellte die rhetorische Frage, ob die Massendatenüberwachung nicht die Ressourcen der Sicherheitsbehörden binden und dadurch die eigentlichen »Gefährder« vernachlässigt würden. Dies sei ein »grundsätzlicher Fehler«, so Ströbele, vielmehr müsse dieser Art von Terrorismus mit herkömmlicher Polizeiarbeit begegnet werden.
Der Ausschuss wird am heutigen Donnerstag und morgigen Freitag seine ersten Sitzungen im neuen Jahr abhalten. Es wird vornehmlich um das BND-Projekt »Eikonal« gehen, welches im letzten Jahr schon eine Rolle spielte. Als »Eikonal« wird eine Zusammenarbeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) zwischen 2004 und 2008 bezeichnet. Großflächig wurden hierfür Glasfaserleitungen angezapft. Welche Daten erfasst und weitergegeben wurden, versucht der Ausschuss herauszufinden. Die Aussagen einer Zeugin dazu, der BND-Mitarbeiterin K. L., sorgten bereits im letzten Jahr für Aufsehen, nicht nur im Ausschuss, auch im Kanzleramt. Die Technikerin fertigte 2007 einen geheimen Bericht über das Projekt an und berichtete in ihrer ersten Vernehmung vor dem Ausschuss relativ unverblümt darüber. Sie wird heute wieder zu diesem sogenannten Schwachstellenbericht vor dem Gremium Stellung nehmen. Doch nicht nur der Inhalt der von ihr gefertigten Dokumentation ist spannend. Als »interessanten Vorgang« bezeichnete es von Notz, dass die Zeugin vor ihrem ersten Auftritt im Ausschuss kurzfristig im Kanzleramt vorgeladen wurde. Aus Pullach, dem Sitz des BND, hatte sie ihr Unterabteilungsleiter begleitet. In Berlin wurde sie von mehreren Leuten, unter anderem Klaus-Dieter Fritsche (CSU), dem Beauftragten für die Geheimdienste, befragt. Ströbele fragt sich, ob hier Grenzen der Zeugenbeeinflussung überschritten wurden. Es sei gegebenenfalls sogar strafrechtlich problematisch, »wenn sich Zeugen zur Interpretation von Dokumenten abstimmen«, kritisierte auch die Obfrau der Linkspartei, Martina Renner laut heise.de. Fritsche ist auch Zeuge im Ausschuss.
Ein weiterer BND-Mitarbeiter wird am Donnerstag aussagen: Reinhard Breitfelder. Auch er war eingebunden in die Projektgeschichte von »Eikonal«. »Er atmet es aus jeder Pore«, findet von Notz. Darüber hinaus sitzen zwei Mitarbeiter des Kommunikationskonzerns Telekom im Zeugenstand. Von ihnen erhofft sich der Ausschuss Erkenntnisse über technische Fragen, etwa ob die Trennung erfasster Daten nach ihrer Herkunft überhaupt möglich ist. Nicht unerheblich, denn deutsche Bürger darf der BND nicht ausspionieren. Am Freitag ist dann Peter Schaar, ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter, im Ausschuss geladen. Auch er soll seinen Wissenstand über »Eikonal« offenbaren. »Uns geht es darum, was wurde mit ihm rückgekoppelt und was nicht«, so Ströbele zu jW. Es stelle sich die Frage, ob dem ehemaligen Datenschützer falsche Tatsachen vorgespiegelt, seine Arbeit möglicherweise bewusst sabotiert wurde.
Sicherlich auch ein Thema am Rande der Anhörungen wird der Fall des im letzten Sommer enttarnten Doppelagenten im BND sein. Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat er eine Liste mit den echten Namen Hunderter BND-Agenten an befreundete US-Dienste weitergegeben. Nach Informationen der Bild hatte der Mann die als streng geheim eingestufte Liste mit Klar- und Decknamen auf einer privaten Festplatte gespeichert, die erst jetzt ausgewertet worden sei. Dem Spion wird vorgeworfen, binnen zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienstler verkauft zu haben.